Begeistert von Oberflächen

Der Tr?ger des Max R?ssler-Preises 2016 heisst Christophe Cop¨¦ret. Der Chemiker entwickelt mit einem molekularen Ansatz funktionale Materialien, wie Festk?rper-Katalysatoren und Mikroelektronik-Anwendungen. Dar¨¹ber hinaus arbeitet er an neuen bildgebenden Verfahren um einzelne Partikel sichtbar zu machen oder Stoffwechselprodukte im K?rper aufzusp¨¹ren.

Roessler-Preis 2016
Christophe Cop¨¦ret erkl?rt Preisstifter Max R?ssler das Prinzip seines neuen NMR-Verfahrens. (Bild: ETH Z¨¹rich / Peter R¨¹egg)

?Ich bin ¨¹berrascht und h?tte nicht damit gerechnet, dass ich den Preis gewinnen w¨¹rde?, sagt ETH-Professor Christophe Cop¨¦ret. Niemand habe ihn im Vorfeld darauf angesprochen, von einer Nomination habe ihm keiner etwas gesagt. Doch nun ist er der diesj?hrige Preistr?ger: ETH-Pr?sident Lino Guzzella ¨¹berreichte dem Chemiker am Mittwochabend den Max R?ssler-Preis 2016.

Engagierter vielseitiger Forscher geehrt

F¨¹r Detlef G¨¹nther, Vizepr?sident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Z¨¹rich und Jury-Mitglied, ist es eine sehr gute Wahl. ?Christophe Cop¨¦ret ist der Jury als kreativer und vielseitiger Forscher im Bereich der Anorganischen Chemie aufgefallen. Da ich mit diesem Forschungsgebiet vertraut bin, freut mich diese Anerkennung f¨¹r ihn ganz besonders?, sagt G¨¹nther.

Christophe Cop¨¦ret sei sehr engagiert, bearbeite ein breites Forschungsgebiet und sei doch stets fokussiert. ?Ausserdem ist er bestens vernetzt und pflegt in besonderem Masse die Zusammenarbeit mit internationalen Fachkollegen.?

Und Preisstifter Max R?ssler erg?nzt: ?Ich freue mich, dass der Preis an einen solch engagierten Forscher geht. Seine Schaffenskraft und Leidenschaft f¨¹r sein Fach sind aussergew?hnlich.?

Cop¨¦ret hat in seiner Karriere ein Dutzend Wissenschaftspreise erhalten. Aber keiner war so hoch dotiert wie der R?ssler-Preis ¨C 200¡®000 Franken erh?lt der 46-j?hrige Franzose. Wie er das Preisgeld einsetzen will, dar¨¹ber hat er noch nicht nachgedacht. ?Der Preis wird mir sicher dabei helfen, Projekte in Forschung und Ausbildung zu finanzieren.?

Fasziniert von weissen Kitteln

Der ETH-Professor wuchs in Fleurie auf, einem Dorf in der franz?sischen Weinregion Beaujolais. Seine Eltern f¨¹hrten eine kleine Schreinerei. Die Weichen f¨¹r seine Laufbahn stellte Cop¨¦ret allerdings fr¨¹h in eine andere Richtung: Als Kind begann er sich f¨¹r den Beruf des Chemikers zu interessieren. Sein erstes Experiment f¨¹hrte er mit seinem Grossvater durch. Der Winzer zeigte ihm, wie er mithilfe einer chromatografischen Messung die G?rung von Wein ¨¹berwachen kann.

Auch an andere Schl¨¹sselereignisse, die ihn zu diesem Fach f¨¹hrten, erinnert er sich: Als Neunj?hriger las er ein Kinderbuch ¨¹ber Berufe, und was es dazu braucht, diese zu ergreifen. Von zwei Berufen war er fasziniert: Petrochemiker und Chemieingenieur. ?Begeistert haben mich wohl die abgebildeten Leute in weissen Laborkitteln und die Bilder von farbigen Reagenzgl?sern?, erz?hlt er. Der zweite Ausl?ser, der ihn zur Chemie f¨¹hrte, war ein Geo-Heft ¨¹ber amerikanische Universit?ten. Nach dieser Lekt¨¹re war ihm schon als Kind klar: ?Ich wollte die Chemie und andere Kontinente erforschen.?

Lyon-USA-Lyon-Z¨¹rich

Diesen Vorsatz setzte er um: F¨¹r sein Studium in Chemie und chemischer Technologie zog es ihn nach Lyon. Um seinen Ingenieurstitel zu erlangen, wechselte Cop¨¦ret als Masterstudent 1991 an die Purdue University, West Lafayette, Indiana. Dort absolvierte er auch sein PhD-Studium beim sp?teren Chemie-Nobelpreistr?ger Professor Ei-ichi Negishi. Nach dem Abschluss seines Doktorats begann er 1996 ein Postdoktorat am Scripps Institute in La Jolla, Kalifornien. Dort wurde er von einem weiteren Nobelpreistr?ger, Professor Karl B. Sharpless, betreut.

Seine Leidenschaft f¨¹r Oberfl?chenchemie zog Cop¨¦ret zur¨¹ck nach Lyon: ?Dieses Fach zog mich magisch an und war der Grund, nach Frankreich zur¨¹ckzukehren?, sagt er. Er begann als Charg¨¦ de Recherches im Labor f¨¹r Metallorganischen Oberfl?chenchemie am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS). Eilig schloss er 2002 seine Habilitation ab, 2008 wurde er zum CNRS-Forschungsdirektor bef?rdert. Im Jahr 2010 schliesslich wurde Christophe Cop¨¦ret als Professor f¨¹r Oberfl?chen- und Grenzfl?chenchemie an die ETH Z¨¹rich berufen.

ETH ein spezieller Ort

?ber diesen Ruf war er hoch erfreut. ?An die ETH Z¨¹rich zu kommen, war ein wichtiger Wendepunkt in meiner Forschungskarriere?, betont er. ?Diese Hochschule ist ein einmaliger und unglaublicher Ort; ich bin umgeben von aufgeschlossenen und talentierten Leuten, motivierten Studierenden und Kollegen ¨C und ich geniesse grosse akademische Freiheiten.? Die ETH sei ein Ort, an dem man sich gegenseitig vertraue und wo die einzige Grenze der eigene Geist sei.

Cop¨¦ret findet aber, dass es f¨¹r die ETH wichtig sei, als Institution effizient zu bleiben. Die administrative Last m¨¹sse auf das notwendige Minimum beschr?nkt bleiben. ?Zu viel B¨¹rokratie zerst?rt Kreativit?t und Unternehmertum. Wir m¨¹ssen die ETH zu einem Ort machen, an dem Forschende und unsere Studierenden ihre Zeit damit verbringen, die Grenzen der Wissenschaft auszuloten und diese zu durchbrechen.?

Alles dreht sich um die Oberfl?che

In seiner Forschung befasst sich Cop¨¦ret insbesondere mit der heterogenen Katalyse, einem Pfeiler effizienter chemischer Prozesse. Dabei liegen der Katalysator als Feststoff, die reagierenden Substanzen als Fl¨¹ssigkeiten oder Gase vor. Die chemischen Reaktion spielen sich an der Grenze zwischen fl¨¹ssiger und fester Phase ab. Dies vereinfacht die Trennung von Katalysator und dem Produkt; chemische Prozesse werden so schlanker.

Cop¨¦ret erforscht, wie chemische Reaktionen an Oberfl?chen von Festk?rper-Katalysatoren ablaufen und wie er diese Oberfl?chen gestalten kann, damit Reaktionen energetisch effizienter und nachhaltiger vor sich gehen. Oberfl?chen mithilfe eines rationalen, molekularen Ansatzes zu optimieren und sie masszuschneidern f¨¹r eine definierte Funktion, das ist eines seiner Forschungsziele.

Doch Oberfl?chen zu untersuchen, fordert die Wissenschaftler noch immer heraus. Oberfl?chen sind komplex und nehmen weniger als ein Prozent des Volumens eines Festk?rpers ein. Viele Nachweismethoden sind nicht empfindlich genug, um genug Informationen ¨¹ber molekulare Strukturen der Oberfl?che zu liefern. Selbst die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), ein Kernthema der ETH Z¨¹rich, ist zu wenig empfindlich, um molekulare Strukturen auf Oberfl?chen detailliert genug abzubilden.

Gemeinsam mit internationalen Forschungsgruppen hat Cop¨¦ret deshalb Methoden entwickelt, welche die Aufl?sung von NMR f¨¹r die Untersuchung von Oberfl?chen massiv steigern. Dazu benutzt der ETH-Professor eine Materialmischung, in der Elektronen in Form von stabilen Radikalen und ein Festk?rper sehr nahen Kontakt haben. Dadurch schrumpft unter anderem die Zeit f¨¹r die Messungen dramatisch: von Jahren auf wenige Stunden. ?Elektronen sind die besseren Magnete als Protonen?, sagt der Chemiker, ?aber wir m¨¹ssen nach wie vor herausfinden, wie wir das Beste aus ihnen heraus kitzeln.?

Vielversprechende Option

Vergr?sserte Ansicht: Christophe Copéret im Labor. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)
Christophe Cop¨¦ret im Labor. (Bild: ETH Z¨¹rich / Peter R¨¹egg)

Diese Forschung hat Cop¨¦ret und seine Gruppe zu einem weiteren Forschungsgebiet gef¨¹hrt: zu einer neuen Art der Magnetresonanztomographie (MRT; engl. MRI), die C-13-MRT genannt wird. Deren Potenzial f¨¹r medizinische Anwendungen ist hoch.

Die klassische MRT detektiert Ver?nderungen in den Protonen von Wassermolek¨¹len, die im Gewebe enthalten sind. Das C-13-MRT basiert jedoch auf dem Kohlenstoff-Isotop 13C, das von Natur aus in allen organischen Molek¨¹len vorkommt. Mit C-13-MRT k?nnen Forschende deshalb auch Stoffwechselprodukte und deren Konzentrationen im K?rpergewebe bestimmen. Dadurch k?nnen Mediziner abnormale Ver?nderungen zeitig aufsp¨¹ren und beispielsweise Tumore fr¨¹her erkennen. Allerdings sind 13C-Kerne weniger empfindlich als Protonen und nicht besonders h?ufig. Das schr?nkt die Anwendung von C-13-MRT ein.

Der ETH-Professor und seine Gruppe haben deshalb neuartige Feststoffe entwickelt, die andere Substanzen effizient polarisieren. Nach vollendeter Hyperpolarisation trennen die Forscher die L?sung mit den polarisierten Substanzen vom Feststoff ab. Die L?sung verst?rkt Signale um das 35¡®000-fache. Rein rechnerisch sinkt dadurch die Zeit f¨¹r die Datengewinnung von 2000 Jahren auf wenige Minuten ¨C dadurch wird C-13-MRT f¨¹r die praktische Anwendung interessant.

?Auch in diesem Bereich spielt Oberfl?chenchemie eine Rolle?, sagt Cop¨¦ret. ?Obwohl meine Forschungsinteressen sehr verschiedenen erscheinen ¨C am Ende passen die unterschiedlichen Teile des Puzzles zusammen und ergeben ein koh?rentes Bild des Ganzen.?

Max R?ssler-Preis

Max R?ssler vermachte 2008 der externe SeiteETH Z¨¹rich Foundation zehn Millionen Franken. Mit dem Zins aus diesem Verm?gen stiftet er einen j?hrlichen F?rderpreis f¨¹r vielversprechende ETH-Professoren in der ?Expansionsphase? ihrer Forscherkarriere. Der Preis ist mit 200¡®000 Schweizer Franken die h?chstdotierte Auszeichnung f¨¹r Forschung an der ETH Z¨¹rich und wird jeweils am Thanks Giving-Anlass der ETH Z¨¹rich Foundation verliehen. Christophe Cop¨¦ret ist der sechste R?ssler-Preistr?ger. Der Preisstifter studierte an der ETH Z¨¹rich Mathematik und doktorierte ¨¹ber Bahnberechnungen in der Raumfahrt. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University kehrte er an die ETH zur¨¹ck und war von 1967 bis 1978 Senior Scientist und Lehrbeauftragter am Institut f¨¹r Operations-Research. Sp?ter war er in der Verm?gensverwaltung t?tig, ehe er sich aus dem Gesch?ftsleben zur¨¹ckzog.

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